Das Ja zu einer Bewerbung wird lauter
Ein Jahr nach dem Start des Dialogprozesses mit Sport, Politik und Gesellschaft hat das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) beschlossen, informelle Gespräche mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) über eine deutsche Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele zu starten. In diesen sollen die aktuellen, internationalen Rahmenbedingungen für eine deutsche Bewerbung erörtert sowie die in den vergangenen Monaten entwickelten Grobkonzepte vorgestellt werden. DOSB-Präsident Thomas Weikert erläutert im Interview, warum das sportfachliche und politische Feedback des IOC für den weiteren Prozess in Deutschland richtungsweisend ist. Zudem berichtet der 62-Jährige wenige Tage vor dem Start der Olympischen Spiele in Paris über den aktuellen Stand der deutschen Bewerbung.
Vor etwas mehr als einer Woche endete mit dem Sieg der spanischen Nationalmannschaft die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Überall hört und liest man Lobeshymnen über das vierwöchige Turnier. Gibt die EURO 2024 einer möglichen deutschen Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele weiter Auftrieb?
Zunächst einmal kann man dem DFB und der UEFA tatsächlich nur zu dieser rundum beeindruckenden Europameisterschaft gratulieren. Nicht nur im Stadion konnte ich erleben, wie sich Deutschland einmal mehr als weltoffener, begeisterungsfähiger und professioneller Gastgeber moderner, nachhaltiger Sportgroßveranstaltungen präsentiert hat. Gleichzeitig haben wir aber auch erneut gesehen, was solche Events in unserer Gesellschaft, in unserem Land bewegen können. Sie können positive Impulse geben, die weit über den Sport hinaus wirken. Impulse, die unser Land und damit unsere Gesellschaft z.B. im infrastrukturellen Bereich dringend benötigt. Natürlich sehen wir das auch als weitere Motivation für unseren Prozess – unser Ja zu einer erneuten Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele ist in den vergangenen Wochen sicher nicht leiser geworden. Und das wollen wir bei den Spielen in Paris natürlich auch klar zum Ausdruck bringen.
Wo steht der DOSB denn aktuell mit den Bewerbungsplanungen?
Durch den intensiven Dialogprozess des vergangenen Jahres haben wir ein sehr detailliertes Bild davon bekommen, was Sport, Politik und vor allem der Gesellschaft bei einer Bewerbung wichtig ist, welche Schwerpunkte wir bei der Entwicklung von Bewerbungskonzepten setzen müssen. Dementsprechend haben wir in den zurückliegenden Monaten einige Szenarien entwickelt, die wir nunmehr in informativen Gesprächen mit den Vorstellungen des IOC abgleichen und auf ihre internationale Akzeptanz prüfen wollen.
Zuletzt wurde ab und zu bemängelt, der Prozess sei seit der Mitgliederversammlung im Dezember des vergangenen Jahres ein wenig ins Stocken geraten. Zu Recht?
Wir haben immer betont, dass wir nach der für alle Partner sehr intensiven Dialogphase im vergangenen Jahr eine gewisse Zeit benötigen, um gute Konzepte zu entwickeln, die auf den dabei gewonnenen Erkenntnissen aufbauen. Hier muss Gründlichkeit und Fachlichkeit vor Geschwindigkeit gehen, um schlussendlich überzeugende Inhalte zu haben. Dennoch gebe ich gerne zu, dass wir hier und dort schon gerne einen Schritt weiter wären.
Wo zum Beispiel?
Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass der Bund das Memorandum of Understanding (MoU), das alle am Prozess beteiligten Länder und Städte bereits im vergangenen Jahr unterzeichnet haben, schon unterzeichnet hätte. Aber wir haben auch Verständnis für die nicht gerade einfachen Rahmenbedingungen. Zudem war deutlich erkennbar, dass sich die Bundesregierung lange Zeit mit der Anerkennung der Autonomie des Sports z.B. in der Frage neutraler Athlet*innen aus Russland und Belarus schwergetan hat. Umso erfreulicher ist es, dass wir nunmehr davon ausgehen können, dass es noch in diesem Monat, noch vor Beginn der Olympischen Spiele einen Kabinettsbeschluss geben wird, der die klare, auch wirtschaftliche Unterstützung der Bundesregierung für eine deutsche Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele zum Ausdruck bringt. Die Zeichnung des MoU soll dann möglicherweise noch in Paris erfolgen. Das wäre ein wichtiger Schritt und ein starkes Zeichen, dass Deutschland diese Bewerbung wirklich will.
Zuletzt gab es Berichte, dass eine Bewerbung für das Jahr 2036 vom Tisch sei und man sich auf 2040 fokussieren wolle. Stimmt das?
Ich habe selbstverständlich auch wahrgenommen, dass es gerade in der Bundespolitik solche Stimmen gibt. Zudem hat der Lenkungskreis, der das DOSB-Präsidium sportfachlich berät, empfohlen, sich vorrangig für 2040 in Position zu bringen. Ich kann die Gründe, aus denen die Bundespolitik das Jahr 2040 präferiert, durchaus nachvollziehen. Vor dem Hintergrund, dass sich in diesem Jahr die deutsche Wiedervereinigung zum 50. Mal jährt, hätte eine Bewerbung aus dem wiedervereinten Herzen Europas eben ein sehr starkes Narrativ.
Aber lassen Sie mich dennoch eines klar stellen: Die Entscheidung, für welches Jahr sich Deutschland schlussendlich bewirbt und wann diese Entscheidung final getroffen wird, obliegt allein dem Sport, final der Mitgliederversammlung des DOSB. Natürlich braucht es für die Bewerbung die ganzheitliche Unterstützung der Bundesregierung, aber aktuell ist es ohnehin eher müßig über Jahreszahlen zu diskutieren.
Warum?
Die informellen Gespräche mit dem IOC, das nach eigenen Angaben für beide Editionen zahlreiche Bewerber hat, zu einer möglichen Bewerbung, die wir in den kommenden Wochen fortsetzen wollen, finden ohnehin erstmal Editions-unabhängig statt. Auch das ist Teil des neuen, komplett reformierten Bewerbungsprozesses des IOC. Anders als das vielleicht früher der Fall war, steht das IOC allen potenziellen Bewerbern bereits von Beginn an als beratender Partner zur Seite, der fachliche Hinweise zur Verbesserung von nationalen Konzepten gibt. Diese Möglichkeit wollen wir nutzen und die unterschiedlichen Szenarien, die wir zunächst natürlich vor allem aus nationaler Sicht entwickelt haben, sportfachlich und vor dem internationalen Hintergrund bewerten und einordnen lassen. Die in diesen Gesprächen gewonnenen Informationen sind für unseren weiteren Prozess extrem wichtig, da wir erst dann konkreter einschätzen können welches unserer unterschiedlichen Grobkonzepte international die besten Erfolgsaussichten hat.
Und was passiert dann?
Im Anschluss geht es darum, die gewonnenen Informationen mit den im Prozess vereinten Städten und Ländern sowie dem Bund zu spiegeln. Mit dem Ziel, in einem offenen Dialog das für Deutschland beste Bewerbungskonzept zu finden, das eine große Deckungsgleichheit mit den Erwartungen der deutschen Gesellschaft und auch international reelle Chancen auf eine breite Zustimmung hat. Denn es geht, wie es das deutsche IOC-Mitglied Michael Mronz unlängst treffend formuliert hat, darum, eine Bewerbung zu entwickeln, die nicht nur mitspielt, sondern auch tatsächlich gewinnen kann.
Der DOSB wollte bei der Mitgliederversammlung im Dezember ein Bewerbungskonzept vorstellen und somit den nächsten Schritt gehen? Bleibt es dabei?
Das hängt maßgeblich davon ab, wann wir die Gespräche mit dem IOC führen und anschließend mit unseren nationalen Partnern eine Einigung zu einem Konzept erzielen können. Natürlich wollen wir das möglichst schnell schaffen, aber es bedarf auch in diesem Punkt natürlich einer absoluten Sorgfalt. Am Ende soll ein Ergebnis stehen, das alle Partner mittragen und das die Gesellschaft überzeugt. Der Weg dahin dauert manchmal ein wenig länger als geplant. Ich schließe aktuell nicht aus, dass wir unsere Zeitplanung möglicherweise justieren und im ersten Halbjahr 2025 eine Außerordentliche Mitgliederversammlung abhalten werden, um die Bewerbung final auf den Weg zu bringen.