„Wir wollen das Märchen Olympia greifbar machen“
Sarah Wellbrock (29) ist ehemalige Profi-Schwimmerin und mittlerweile Diplom-Juristin. Ihren größten Erfolg feierte sie bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio: Da holte Wellbrock Bronze über 1.500 Meter Freistil. Wir haben sie gefragt, wie wir in Deutschland mehr Anreize schaffen können, damit sich die Menschen wieder mehr bewegen und welche Rolle Olympia hier spielen könnte.
Hallo Frau Wellbrock. Nur ein geringer Prozentsatz (22,6 %) der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland erfüllt gängige Bewegungsempfehlungen. Warum bewegt sich Deutschland so wenig?
Ich denke, da kommen viele Dinge zusammen. Der Alltag wird zunehmend stressiger und es bleibt immer weniger Zeit für ausgiebige Bewegung. Dazu kommt ein in vielen Städten nicht vorhandenes oder immer kleiner werdendes Bewegungsangebot, da einfach keine Fachkräfte zu finden sind. Wichtig ist, dass wir nicht mit Scheuklappen auf dieses Thema blicken.
Welche Anreize müssen aus Ihrer Sicht gesetzt werden, um Bewegung und Sport wieder attraktiver zu machen?
Ich kenne nicht alle Angebote aller Krankenversicherungen, aber es wäre doch eine Überlegung durch verschiedene „Belohnungssysteme“ Bewegungsanreize für die Menschen zu schaffen. Ein banales Beispiel: Osteopathische Behandlungen werden von den meisten Versicherern nur anteilig übernommen. Eine Idee wäre es doch, die Bewegungszeit – zum Beispiel Laufen gehen, Rad fahren, schwimmen – über ein digitales System aufzuzeichnen und beim Erreichen entsprechender Etappen, einzelne Behandlungen zu 100 % zu übernehmen. Mein Beispiel ist jetzt natürlich auf das Wesentliche runtergebrochen und soll auch nur eine erste Idee sein.
Wie wichtig sind in diesem Kontext Schwimmbäder für den Sport und darüber hinaus auch für die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung?
Schwimmbäder sind vor allem wichtig für diejenigen, die Schwimmen lernen möchten. Dazu gehören nicht nur Kinder, sondern auch Jugendliche und Erwachsene. Die Anzahl derer, die nicht schwimmen können, wird immer höher und die Pandemie hat auch ihren Beitrag dazu geleistet. Es ist im Grunde überlebenswichtig, sich im Wasser sicher zu bewegen – dafür braucht es keine gute Technik.
Auf der anderen Seite stehen die Menschen, die gerne Sport machen möchten, aber „an Land“ nicht können, weil ihre Knie oder der Rücken schon in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das Wasser ist eine weiche Umgebung, nimmt Last von den Gelenken und ist deshalb wichtig auch für diesen Teil unserer Gesellschaft.
Für alle anderen ist es eine tolle Alternative, um Abwechslung in das regelmäßige Sportprogramm zu bringen.
Wie können Olympische und Paralympische Spiele dazu beitragen, dass sich Deutschland wieder mehr bewegt?
Ich denke, wenn die deutsche Bevölkerung sieht, welche Begeisterung Olympische Spiele mit sich bringen, wie Athlet*innen alles für diesen einen Wettkampf geben und mit Herzblut dabei sind, wie viel Freude es uns macht. Dann können wir die Menschen mitreißen, für die verschiedenen Sportarten begeistern, alle mit in den Bann Olympischer Spiele ziehen und das Märchen Olympia greifbar machen.
Sie sind als Expertin Teil unseres Talks zum Thema Gesundheitssport. Welche Botschaft möchten Sie dort vermitteln?
Da ich aus dem Wassersport komme, möchte ich vor allem darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, sich sicher im Wasser zu bewegen. Badeunfälle und Tod durch Ertrinken, nur weil jemand nicht schwimmen kann, sollten wir weitestgehend vermeiden. Das ist eins meiner größten Anliegen.
Darüber hinaus ist Schwimmen die wohl gesündeste Sportart. Man braucht ganz viele Muskeln gleichzeitig, es ist gelenkschonend, kann ein super Ausgleich zur täglichen Arbeit sein und durch den Wechsel in ein anderes Medium ist es bestens geeignet, sich richtig auszupowern, um dann abends zufrieden und erschöpft ins Bett zu fallen.
Sport ist gewiss kein Wundermittel, aber ich bin davon überzeugt, dass er uns glücklicher, zufriedener und selbstbewusster machen kann. Zu guter Letzt ist Sport einfach gesellig. Man lernt neue Menschen kennen, lacht gemeinsam und hat Spaß.