5 Ringe – 5 Fragen: Interview mit DOSB- Präsident Thomas Weikert zum Start der Dialoginitiative „Deine Ideen. Deine Spiele.“

Herr Weikert, Sie waren in den vergangenen Wochen zu Gast bei den Special Olympics World Games in Berlin und bei den European Games in Krakau. Was nehmen Sie von diesen Veranstaltungen mit?

Die Special Olympics World Games haben mir zwei Dinge besonders deutlich gezeigt. Erstens: Deutschland, in diesem Fall Berlin, kann Sportgroßveranstaltungen. Und zweitens: Sportgroßveranstaltungen begeistern dann, wenn sie nachhaltig und kostengünstig sind. Und wenn sie alle Menschen mitnehmen. Wenn die Welle der Euphorie aus den Stadien und Hallen in die ganze Stadt oder – wie dank des Host Town Program der World Games – gar ins ganze Land schwappt.

Die European Games in Krakau haben deutlich gemacht, wie wichtig Multi-Sport- Veranstaltungen für den Spitzensport sind. Durch die Qualifikationsmöglichkeiten für die Olympische Spiele 2024 in Paris sowie die europäischen Titelkämpfe sind sie besonders attraktiv. Nicht zuletzt haben die tollen Leistungen unserer Athlet*innen natürlich auch Lust auf die Olympischen und Paralympischen Spiele im kommenden Jahr gemacht.

Womit wir beim Thema Olympia sind: Der DOSB macht sich heute auf den Weg hin zu einer erneuten Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele und startet seine Dialoginitiative. Welche Ziele verfolgen Sie?

„Deine Ideen. Deine Spiele.“ Hier schwingt im Grunde alles mit, was wir auf diesem langen Weg erreichen wollen. Wir möchten mit der Gesellschaft nicht nur ins Gespräch kommen. Wir möchten gemeinsam diskutieren und herausfinden: Warum möchtet ihr die Spiele, warum nicht? Und wie sollen sie aussehen, was müsste sich ändern? Unser Ziel ist es, gemeinsam mit der Bevölkerung den Grundstein für eine Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele zu erarbeiten. Eine Bewerbung „Made by Germany“.

Wir möchten aufklären, informieren und Vorbehalte abbauen, die Olympischen und Paralympischen Spielen, oftmals nicht zu Unrecht anhaften. Und wir möchten alle einbinden, insbesondere auch die, denen Olympia oder Spitzensport vielleicht völlig egal ist. Denn wir sind überzeugt, dass Olympische und Paralympische Spiele, Mehrwerte für die gesamte Gesellschaft liefern können.

Inwiefern unterscheidet sich der Prozess von bisherigen Anläufen?

Wir wollen dieses Mal die Bevölkerung ab der ersten Minute einbinden. Am wichtigsten wird für uns die gesamtgesellschaftliche Antwort auf die Frage: „Warum wollen wir Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland?“ Da spielen natürlich eine Reihe weiterer Fragen hinein: „Was spricht für Sommer- und was für Winterspiele? Ob und unter welchen Umständen ist das Jahr 2036 das richtige Jahr für eine Bewerbung?“

Einige klare Prinzipien haben wir aber bereits festgelegt: Wir setzen ausschließlich auf Sportstätten, die bereits vorhanden sind. Deutschland hat zwei funktionstüchtige Olympiastadien. Warum sollten wir noch ein Neues bauen? Wir lösen uns außerdem von einer einzelnen Stadt als Gastgeber. Und nicht zuletzt möchten wir von Beginn an gemeinsam mit unseren Mitgliedsorganisationen, den Athlet*innen, den Städten, der Politik und natürlich der Gesellschaft in einen kontinuierlichen Austausch kommen.

Hinzu kommt: Wir sind nicht die Einzigen, die etwas anders machen. Auch das IOC hat sich verändert. Dank verschiedener Reformen werden die Spiele in Zukunft nachhaltiger, günstiger und transparenter sein. Die Zeiten des olympischen Gigantismus sind vorbei. Denn die Gastgeber müssen sich nicht mehr den Spielen anpassen. Die Spiele passen sich dem Gastgeber an. Das wird ab 2024 in Paris sichtbar.

Wie stehen die Chancen einer deutschen Bewerbung im internationalen Wettbewerb?

Wir würden unseren Job nicht professionell machen, würden wir die internationalen Entwicklungen nicht genau beobachten und bewerten. Dennoch: Wir konzentrieren uns zunächst auf die Entwicklung einer Bewerbung, die vor allem für Deutschland passt. Auch, weil das IOC mittlerweile den klaren Leitsatz hat, dass sich die Spiele dem Gastgeber anpassen, nicht umgekehrt. Deshalb sind wir zuversichtlich, dass ein Bewerbungskonzept, das komplett auf bestehende und modernisierte Sportinfrastruktur baut, keine kostspieligen Neubauten bedingt und von der Gesellschaft mitentwickelt wurde, in der Gesellschaft breite Zustimmung findet.

Das neue Präsidium des DOSB, und ganz besonders auch ich, haben in nicht ganz einfachen geopolitischen Zeiten ein sehr gutes Verhältnis zum IOC.

Mit Präsident Thomas Bach stehe ich in einem regelmäßigen Austausch. Eine Garantie auf internationalen Erfolg einer möglichen Bewerbung ist das, gerade in der aktuellen Situation, natürlich keineswegs. Dessen sind wir uns bewusst.

Was sind die nächsten Schritte des DOSB in Richtung Bewerbung?

Im Rahmen des Prozesses wollen wir vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten für alle Teile der Bevölkerung schaffen. Den Start machen ab heute die Website zur Initiative „Deine Ideen. Deine Spiele.“ sowie die dazugehörigen Social-Media-Kanäle. Hier haben ab sofort alle die Möglichkeit, sich über unseren Prozess zu informieren und aktiv daran teilzunehmen. Sei es per Umfrage auf der Website, oder als Kommentar zu einem Tweet oder Post oder das Teilen von eigenen Gedanken, Ideen und Meinungen. Wir werden alle Fragen, die uns erreichen beantworten und dauerhaft auf der Website veröffentlichen.

Hier möchte ich an dieser Stelle explizit darauf hinweisen, dass wir uns erst am Anfang befinden und wir viele Inhalte, die im Dialog erarbeitet werden sollen, noch fehlen. Wir wollen im Dialog erfahren, welche Fragen den Bürger*innen unter den Nägeln brennen und diese dann gemeinsam beantworten.

Eine tolle Gelegenheit, um detaillierte Antworten auf komplexe Fragen zu erhalten, werden unsere Fachtalks sein. Hier werden Expert*innen aus den Bereichen Sport, Wirtschaft, Nachhaltigkeit und Gesellschaft zu verschiedene Fragestellungen rund um Olympia in Deutschland diskutieren. Und über Social Media haben alle Menschen die Möglichkeit, sich mit Fragen oder Kommentaren zu beteiligen.

Und natürlich wollen wir auch in den Städten vor Ort mit den Bürger*innen ins Gespräch kommen. Dafür veranstalten wir im Herbst Dialogforen in den fünf Städten bzw. Regionen, die dann am Ende im Mittelpunkt eines Konzeptes stehen. Die Ergebnisse dieses Dialogprozesses wollen wir dann am 02.12.2023 bei der Mitgliederversammlung des DOSB präsentieren. Sie sehen, wir haben viel vor bis Ende des Jahres.