Sport & Kommerz.
Olympia ohne Korruption – Geht das überhaupt?
Ja, davon sind wir überzeugt. Und wir wollen beweisen, dass es geht. Vor allem durch eine transparente Arbeit, die den höchsten Ansprüchen von Good Governance und Compliance gerecht wird. Und durch eine kontinuierliche Einbindung der Gesellschaft sowie aller relevanten Kontrollinstanzen.
In der Vergangenheit gab es leider immer wieder Fälle von Korruption im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen, auch in Zusammenhang mit den Olympischen und Paralympischen Spielen. Allerdings ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass diese nicht auf einem generellen Fehler des „Systems“, sondern auf dem Fehlverhalten einzelner Personen oder Personengruppen gründen.
Wie viele andere Sportverbände auch hat das weltweit agierende IOC längst verschiedenste Maßnahmen ergriffen, um Korruption zu bekämpfen. Dazu gehören die Einführung von Ethikregeln, die Veröffentlichung von Finanzinformationen und die Einrichtung einer unabhängigen Ethikkommission. Zudem wurde der Vergabeprozess der Olympischen Spiele bereits vor vielen Jahren reformiert.
Wir beim DOSB setzen uns auf dem Weg zu Olympischen und Paralympischen Spielen vom ersten Tag an die höchsten ethischen Ansprüche. Wir wollen maximal nachhaltig, kostensparend und transparent arbeiten. Wir werden uns hinterfragen lassen, aber auch kritisch Stellung beziehen, wenn Entscheidungen Dritter für uns nicht transparent nachvollzogen werden können.
Wie kommerziell sind Olympische Spiele?
Natürlich sind Olympische und Paralympische Spiele – wie viele andere Sportgroßveranstaltungen – auch auf wirtschaftlichen Gewinn ausgelegt. Moderne Spiele sind eine enorme logistische Herausforderung, die entsprechende finanzielle Ressourcen erfordert. Ohne Sponsoren und Partner wäre es schwierig, genügend Geld aufzubringen, um die Spiele durchzuführen.
Um sicherzustellen, dass die olympische Bewegung nicht von kommerziellen Interessen dominiert wird, hat das IOC strenge Regeln und Vorschriften in Bezug auf Werbung und kommerzielle Aktivitäten. Das IOC selbst ist eine Non-Profit-Organisation und gibt mehr als 90 % der Marketingeinnahmen an die Organisationen der Olympischen Bewegung, um die Organisation der Olympischen Spiele, der Olympischen Jugendspiele zu unterstützen und den Sport in der ganzen Welt zu fördern. Das IOC behält nur 10 % der olympischen Einnahmen für IOC-Aktivitäten zur Entwicklung des Sports und zur Deckung der Verwaltungskosten für die Leitung der olympischen Bewegung ein.
Die Einnahmen aus den Olympischen Spielen fließen zu etwa 40 % and die jeweiligen Ausrichter zurück. Der Rest wird verwendet, um den olympischen Sport auf der ganzen Welt zu fördern. Das IOC investiert zudem in soziale Programme und Infrastrukturprojekte in den Gastgeberstädten und -ländern. Diese Investitionen können einen positiven Einfluss auf die lokale Wirtschaft und Gemeinschaft haben.
Was kosten Olympische Spiele überhaupt?
Hier ist es wichtig zu unterscheiden: Welche Kosten entstehen für die eigentliche Durchführung der Olympischen und Paralympischen Spiele und welche Investitionen werden darüber für eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung getätigt?
Betrachtet man allein die Durchführung der Spiele, belaufen sich die Kosten für Olympische Spiele im Sommer aktuell auf drei bis sechs Milliarden Euro, Winterspiele kosten in etwa die Hälfte. Eine Menge Geld, keine Frage, doch diese Ausgaben werden zu einem Großteil durch das IOC selbst (im Sommer etwa zwei Milliarden Zuschuss und im Winter etwa eine Milliarde) und die Einnahmen der Spiele (zum Beispiel durch nationale Sponsoren und Ticketverkäufe) refinanziert. Aus öffentlichen Mitteln werden ausschließlich Ausgaben für öffentliche Sicherheit sowie medizinische Versorgung bezahlt.
Betrachtet man auch alle Investitionen in die (sportliche) Infrastruktur, die im Rahmen von Olympischen und Paralympischen Spielen getätigt werden, steigen die Kosten je nach Umfang der Maßnahmen. Auch aus diesem Grund haben wir entschieden, dass wir für eine erneute Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele auf kostspielige Neubauten – die bei vielen Spielen der Vergangenheit die Kosten explodieren ließen – verzichten werden.
Die so gesparten Gelder sollen in die ohnehin notwendige Modernisierung von Stadien oder Trainingshallen, den Ausbau von Straßen und Schienen, die Schaffung von Wohnraum oder in den Glasfaserausbau gesteckt wird: Der Gegenwert ist langfristig und stiftet nachhaltigen Nutzen für die gesamte Bevölkerung.
Was kostet eine Bewerbung um Olympische Spiele?
Das hängt schlussendlich vom (werblichen) Aufwand ab, den der Interessent bereit ist, zu leisten. Allerdings haben die Reformprozesse beim IOC dafür gesorgt, dass die Bewerbungskosten deutlich reduziert werden konnten. Hatte München für die Bewerbung um die Winterspiele 2022 noch ein Budget von über 30 Millionen Euro veranschlagt, kamen die beiden Bewerber um die Winterspiele 2026, Mailand-Cortina und Stockholm mit weniger als fünf Millionen Euro aus.
Sobald feststeht ob und für welche Edition sich der DOSB um Olympischen Spiele bewerben wird, können und werden wir die Kosten einer Bewerbung kommunizieren.
Muss Deutschland für Olympische Spiele „Knebelverträge“ unterschreiben?
Nein, nicht mehr. Lange Zeit galten die Verträge zwischen dem IOC und den Austragungsstädten als „Knebelverträge“. Finanzielle Risiken der Durchführung, zum Beispiel steigende Kosten bei Bauprojekten, wurden alleine auf den Gastgeber abgewälzt. Das hat sich infolge der längst eingeleiteten Reformen des Vergabeprozesses Agenda 2020 grundlegend gewandelt.
Die Neuerungen des Olympic Host Contract sollen Olympische Spiele transparenter, nachhaltiger und gerechter machen sowie den Gastgebern auch langfristige Vorteile bringen. Diese beinhalten unter anderem auch Maßnahmen wie Kostenkontrolle und Obergrenze, die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards, Menschenrechten sowie Geschlechtergleichstellung. Aus einem ehemals 7.000 Seiten umfassenden Vertragswerk wurden 350 Seiten. Diese Änderungen greifen erstmalig bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris.
Von einem „Knebelvertrag“ kann also nicht mehr die Rede sein. Der Vertrag regelt kürzer und klarer als bislang die gegenseitigen Rechte und Pflichten und stellt somit eine faire Basis für die Bewerbung dar. Und es gilt der Leitspruch des IOC: „Die Spiele passen sich dem Gastgeber an. Nicht mehr der Gastgeber den Spielen.“
Warum ist E-Sport kein Teil der Olympischen Spiele?
Wir können nicht über Olympische und Paralympische Spiele 2036 und später sprechen und das Thema E-Sport links liegen lassen. Zumindest virtuelle Sportarten sind unserer Meinung wichtig für die Weiterentwicklung des Sports und der Sportverbände. Daher empfehlen wir, das Thema im Rahmen einer möglichen Bewerbung, um Olympische und Paralympische Spiele im organisierten Sport zu durchdenken und wenn möglich im Sinne des Sports weiterzuentwickeln.
Das IOC ist diesbezüglich bereits einen Schritt weiter und veranstaltete in diesem Jahr erstmals eine eigene „Olympic Esports Week“. Wichtig ist, dass wir aus Sicht des organisierten Sports zwischen elektronischen Sportartensimulationen (virtuelle Sportarten), z. B. Radfahren in einer virtuellen Welt, und eGaming, und anderen Video- bzw. Computerspielen (z. B. League of Legends, Counterstrike) unterscheiden. In seiner Gesamtheit entspricht eGaming aktuell nicht den zentralen Aufnahmekriterien, die das Sport- und Verbändesystem unter dem Dach des DOSB konstituieren und prägen.
Wir unterstützen die Entwicklung von Qualifizierungen und von pädagogischen Konzepten für den Umgang mit eGaming in Vereinen. Damit erweitern sich die außersportlichen Angebote und die gesellschaftliche Verantwortung von Vereinen und Verbänden.
Warum vergibt das IOC Olympische Spiele an autoritäre Regime?
Die Vergabekriterien von Olympischen Spielen wurden durch das IOC seit 2014 kontinuierlich verändert und modernisiert. Längst stehen Themen wie die Einhaltung der Menschenrechte, nachhaltiges Handeln und Reduzierung der Kosten im Fokus des Prozesses.
Manchmal dauert es jedoch, bis sich die Ergebnisse solch umfangreicher Reformprozesse zeigen. Zumal alle Spiele der vergangenen Jahre vorher vergeben worden waren. Die Spiele von Paris im kommenden Jahr sind die ersten, die nach den neuen Kriterien vergeben wurden. Es folgen Spiele in Italien (2026), den USA (2028) und Australien (2032). Bis ins nächste Jahrzehnt wurden also alle Spiele an demokratische Staaten vergeben. Wir sind überzeugt, dass das IOC diesen Weg weitergehen wird und sehen gerade darin die Chance einer deutschen Bewerbung.
Leistungssport.
Was ist für Sportler*innen so besonders an Olympia?
Die Vision der Olympischen Spiele, dass Athlet*innen zu einem respektvollen, freundschaftlichen und globalen Wettbewerb antreten und die gleichen Regeln akzeptieren, ist aus unserer Sicht zu jeder Zeit aktuell.
Die Kritik an Olympischen Spielen richtet sich an die, die sie für ihre Zwecke missbrauchen, aber nicht an deren Grundlage. Obwohl sich der Sport im Laufe der Zeit professionalisiert hat, ist der olympische Geist des fairen und ehrenhaften Wettbewerbs immer noch präsent und inspiriert Athlet*innen weltweit.
Für Athlet*innen aus dem Spitzensport fördern die Spiele den Wettbewerbsgeist: Olympische und Paralympische Spiele bieten Athlet*innen aus verschiedenen Ländern die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Talente im fairen Wettbewerb zu zeigen. Der Wettbewerb auf höchstem Niveau motiviert sie, ihr Bestes zu geben und neue Rekorde zu setzen. Außerdem bilden Olympische und Paralympische Spiele für viele den Höhepunkt ihrer Sportler*innen-Karriere.
Wie profitiert der Leistungssport von „Heimspielen“?
Wenn die Spiele im eigenen Land stattfinden, können sie junge Athlet*innen dazu inspirieren, ihre sportlichen Ziele zu verfolgen und ihr Potenzial auszuschöpfen. Die Sichtbarkeit des Sports und die Präsenz internationaler Athlet*innen können dazu beitragen, die Popularität bestimmter Sportarten zu steigern und das Interesse an der sportlichen Betätigung bei jungen Menschen zu wecken.
Während der Olympischen und Paralympischen Spiele steht der Leistungssport im Rampenlicht der Medien. Die Medienberichterstattung über die Spiele kann auch dazu beitragen, den Leistungssport insgesamt zu fördern und das Interesse der Menschen an verschiedenen Sportarten zu wecken.
Wenn für die Ausrichtung der Spiele Sportstätten modernisiert werden, kann das langfristige Vorteile für den Leistungssport bringen, indem sie erstklassige Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten bietet, die auch nach den Spielen genutzt werden können.
Breitensport.
Was bringen Olympische Spiele meinem Verein?
Olympische Spiele können auch einen großen positiven Effekt auf den gesamten Breiten- und Vereinssport haben. Der Spitzensport per se kann Begeisterung und Interesse schaffen, und vor allem bei Olympischen Spielen das Licht auf medial unterrepräsentierte Sportarten richten. So werden Vorbilder geschaffen, die auch abseits des Fußballs junge Menschen motivieren, neue Sportarten im Verein auszuprobieren.
Zusätzlich zur grundsätzlichen Begeisterung bieten Olympische Spiele großes Potenzial konkrete Maßnahmen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene anzustoßen, z. B. Investitionen in Sportstätten, Programme zur Förderung des Ehrenamts oder finanzielle Unterstützung für Vereine. Bei Olympia wird deutlich, dass es ohne die mehr als 85.000 Sportvereine in Deutschland keinen Spitzensport geben kann.
Die Paralympics sind ebenso wichtig für den Sport in der Breite. Durch die Sichtbarkeit und Anerkennung der sportlichen Leistungen von Athlet*innen mit Behinderungen kann die Akzeptanz und Inklusion im Breitensport gefördert werden. Weiterhin können die paralympischen Spiele Menschen mit Behinderung dazu ermutigen, überhaupt am Breitensport teilzunehmen.
In den Jahren vor den Olympischen Spielen 1972 in München entstand beispielsweise in Deutschland die Trimm-Dich-Bewegung, die viele Menschen neu zum Sport brachte und das Angebot der Sportvereine bundesweit nachhaltig prägte. Das dafür entwickelte Maskottchen Trimmy ist heute noch Maskottchen des DOSB.
Auf dem Weg zu einer möglichen Bewerbung werden wir vor allem auch darüber nachdenken, welche Mehrwerte durch Olympische und Paralympische Spiele für den Breitensport geschaffen werden können, wie Probleme an der Basis gelöst werden können.
Kann eine Bewerbung dafür sorgen, dass wir wieder mehr junge Menschen für das Ehrenamt begeistern können? Gelingt die Digitalisierung von Vereinsarbeit durch den Antrieb einer Bewerbung vielleicht schneller? Nur zwei von vielen Fragen, die wir klären wollen. Was beschäftigt euch? Lasst es uns wissen.
Profitiert der Schulsport von Olympia?
Ob Teamplay, Respekt oder Gesundheit: Der Sport transportiert Werte, die schon im jüngsten Alter vermittelt werden sollten. Olympische Spiele im eigenen Land können ein wichtiger Faktor sein, den Sportunterricht zu verbessern – qualitativ und quantitativ.
Die dritte Sportstunde gibt es bundesweit noch immer nicht (im Gegenteil, der Trend geht zu einer Reduzierung), an vielen Schulen sind die Hallen überaltert, Kinder und Jugendliche bewegen sich zu wenig. Olympische Spiele können einerseits einen Impuls geben, um die Jüngsten wieder an die Themen Sport und Bewegung heranzuführen, andererseits die mediale und politische Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.
Wird dank Olympia mein Sportplatz oder meine Turnhalle saniert?
Die Chance besteht allemal. Deutschland hat aktuell mit einem gewaltigen Investitionsstau im Bereich der Sportstätten zu kämpfen. Insgesamt liegt der Sanierungsbedarf bei über 30 Milliarden Euro. Die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele könnte daher einen wichtigen, frühzeitigen Impuls liefern, diesen Sanierungsstau nach und nach aufzulösen. Zumal mit der Entscheidung, nur auf existierende Sportstätten für die Bewerbung zu setzen, wichtige Gelder gespart werden, die an anderer Stelle dringend gebraucht werden. Dem DOSB ist es wichtig, dass nach der Vergabe der Olympischen und Paralympischen Spiele bundesweit ein Plan zur nachhaltigen und barrierefreien Sanierung der sportlichen Infrastruktur aufgesetzt wird, der weiter über die für Olympia benötigen Sportstätten hinaus geht und bundesweit an der Basis wirkt.
Warum stecken wir das Geld nicht direkt in den Breitensport?
Auch das wäre eine Möglichkeit, die jedoch nur punktuell wirken würde. Wir sehen in Olympischen und Paralympischen Spielen einen nachhaltigeren Antrieb, der den Sport mit all seinen Werten deutlich tiefer in der Gesellschaft verankern und anschließend eine größere Dynamik entwickeln kann, als direkte Investitionen. Unabhängig davon müssen natürlich sämtliche Investitionen für die Spiele auf ihren nachhaltigen Beitrag zum Breitensport überprüft werden.
Was bringt Olympia dem Ehrenamt?
Olympische und Paralympische Spiele als größtes Multi-Sportevent der Welt rücken den Sport, seine Vielfalt und seine Werte in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit. Dies bietet eine tolle Gelegenheit, die vielen Facetten des Ehrenamts zu präsentieren. Egal ob Übungsleiter*in, Schiedsrichter*in oder Kassenwart*in.
Das Interesse, sich als Volunteer an Sportgroßveranstaltungen zu beteiligen, ist in Deutschland stets sehr groß. Mit den richtigen Maßnahmen und Angeboten kann es dank „Heimspielen“ gelingen, einer breiten Masse die zahlreichen Vorteile des Ehrenamts zu präsentieren und sie so als langfristige Ehrenamtliche im Sport und darüber hinaus zu gewinnen.