„Berlin kann es.“

Sven Albrecht ist Bundesgeschäftsführer der Special Olympics Deutschland und war verantwortlich für die Weltspiele, die vom 17. bis 25. Juni 2023 in Berlin stattfanden. Ein Ereignis, das vielen noch immer in bester Erinnerung ist. Im Interview spricht er über den Erfolg der Special Olympics World Games und welche Impulse es für eine mögliche Olympiabewerbung braucht.

Sven Albrecht: Bundesgeschäftsführer der Special Olympics Deutschland.
Sven Albrecht: Bundesgeschäftsführer der Special Olympics Deutschland. © Juri Reetz

Hallo Sven, du bist Bundesgeschäftsführer der Special Olympics Deutschland und warst diesen Sommer verantwortlich für die Special Olympics World Games in Berlin. Was war dein persönliches Highlight?

Es ist sehr schwierig, ein Highlight zu benennen. Dafür gab es zu viele Momente, die diese Spiele geprägt haben. Es freut mich aber sehr, dass wir insbesondere die Anliegen unserer Athlet*innen erfüllen konnten und das gesamte Land bewegt haben. Endlich wurde der Sport unserer Athlet*innen gesehen und gewürdigt. Noch nie fanden Special Olympics World Games vor so einem großen Publikum statt. Die Medienallianz hat eine nie dagewesene öffentliche Wahrnehmung erzeugt. Ein besonders emotionaler Moment war für mich der Einlauf der über 170 Delegationen ins Olympiastadion. Unter Berücksichtigung der Geschichte des Stadions war dies ein klares Statement für Menschlichkeit und Inklusion. Unser Motto #ZusammenUnschlagbar war in diesem Moment für jeden spürbar.

Die Special Olympics sind das größte inklusive Sportevent der Welt. Es geht unter anderem auch darum, die Grenzen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung abzubauen. Wie weit sind wir hier im Sport, aber auch in der Gesellschaft?

Wir stehen weltweit und auch in unserem Land nach wie vor am Anfang. Nur 8 % der Menschen mit geistiger Beeinträchtigung haben einen Zugang zum Sport. Wir brauchen die Unterstützung der Sportfamilie, damit mehr Inklusion im Sport gelingen kann. Voraussetzungen dafür sind die Barrierefreiheit, Rahmenbedingungen im Bundesteilhabegesetz wie benötigte Assistenzleistungen, kommunale Netzwerke und Bildungsangebote u. a. für Trainer*innen. Es war uns daher so wichtig mit dem Host Town Program über 216 Kommunen mit einzubinden, damit vor Ort die Voraussetzungen für Teilhabe geschaffen werden können. In der Gesellschaft insgesamt benötigen wir viel mehr Begegnungen, damit insbesondere auch die Barrieren in den Köpfen abgebaut werden können. Dafür bietet der Sport hervorragende Möglichkeiten. Ich hoffe sehr, dass die Weltspiele nachhaltig einen Beitrag dazu leisten, dass die Chancen, die die Inklusion für uns alle mit sich bringt, mehr gesehen werden.

Mal angenommen, Olympia findet wieder in Deutschland statt. Wie müssten die Spiele dann aus deiner Sicht gestaltet sein, um möglichst inklusiv zu sein?

Ich würde es an dieser Stelle gerne etwas breiter sehen. Die Weltspiele in Deutschland waren so erfolgreich, weil von Beginn an eine gesellschaftliche Idee im Mittelpunkt stand. Es ist uns gelungen viele Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen hinter dem Ziel zu vereinen und vor allem das gesamte Land mit einzubinden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die gesellschaftliche Kraft des Sports in das Zentrum rücken müssen. Dazu gehört natürlich auch die Inklusion. Da wir von einer Ausrichtung frühstens 2036 sprechen, sollte es dann selbstverständlich sein, dass die Spiele in allen Bereichen für alle zugänglich sind und Menschen mit Behinderung als Mitarbeitende im OK, als Helfende, als Künstler*innen, etc. diese Spiele mit prägen und gestalten.

Die Special Olympic World Games haben in der Hauptstadt einen sehr positiven Eindruck hinterlassen. Ist Berlin auch bereit für Olympische und Paralympische Spiele?

Berlin ist eine Sportstadt und hat ein großartiges Publikum. Noch heute werden wir von vielen Ländern angesprochen, dass Sie sich so willkommen gefühlt und noch nie so einen Zuspruch durch die Zuschauenden erfahren haben. Berlin hat mit den Special Olympics World Games international eine neue Benchmark gesetzt. Wir haben entgegen der manchmal bestehenden Vorurteilen von allen Beteiligten und Behörden im Land Berlin eine großartige Zusammenarbeit erfahren. Dies war wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Organisation. Berlin kann es. Wichtig wird es jetzt sein den Mehrwert für die Gesellschaft über die Veranstaltung hinaus zu entwickeln und darzustellen. Die Olympischen und Paralympischen Spielen müssen einen Beitrag zu einer übergeordneten Idee leisten – und das ist aus meiner Sicht der Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Aufmerksamkeit von Veranstaltungen helfen, dass die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen beschleunigt werden. Berlin hat dabei einen einzigartigen Ansatz, bei dem Sportgroßveranstaltungen auf den unterschiedlichsten Feldern Impulse für die Stadtentwicklung geben müssen. All dies sind beste Voraussetzungen, um sich auf den Weg zu machen, den Sport in unserer Gesellschaft zu stärken.

Am 12. November findet das Dialogforum „DEIN BERLIN. DEINE STADT. DEIN DIALOG.“ des DOSB im Futurium in Berlin statt. Welche Erwartungen hast du an die Veranstaltung?

Ich hoffe, dass viele Menschen sich an dem Dialog beteiligen. Es muss uns gelingen, dass nicht nur der Sport, sondern die Gesamtgesellschaft über die Chancen, aber auch Risiken diskutiert. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Meinungen leider sehr vorgeprägt sind. Ich wünsche mir hier wirklich eine Offenheit in alle Richtungen und das dem Prozess eine Chance gegeben wird. Schlussendlich diskutieren wir, was der Sport für die Gesellschaft leisten kann und inwieweit die Olympischen und Paralympischen Spiele ein Baustein sein können, diese Ziele, nämlich das Miteinander in unserer Gesellschaft, zu erreichen. Das geht uns alle an. In dem Sinne freue ich mich auf den Austausch und eine respektvolle Debatte. Das tut unserem Land insgesamt gut.

Weitere Informationen zum Dialogforum in Berlin gibt es hier.