„Unsere Vielfalt kann uns zu besonderen Gastgebern machen“ 

Deborah Levi (26) ist eine erfolgreiche deutsche Bobfahrerin, wurde im Zweierbob gemeinsam mit Laura Nolte 2022 in Peking Olympiasiegerin und ist zudem Mitglied der Anti-Rassismus AG von Athleten Deutschland e. V. sowie Botschafterin für den Spielort Frankfurt bei der Fußball-Europameisterschaft 2024. Anlässlich des Internationalen Tag gegen Rassismus (21. März) haben wir mit ihr über Rassismus im Sport und das Supersportjahr 2024 gesprochen. 

Deborah Levi feiert ihre Goldmedaille bei dem Olympischen Winterspielen in Peking. © Picture Alliance

Wie präsent ist Rassismus im deutschen Sport? 

Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und unter anderem durch die historische Vorgeschichte, wie die Kolonialisierung, strukturell in der deutschen Gesellschaft verankert. Rassismus kann sich im Alltag auf unterschiedliche Arten äußern, beispielweise wenn Menschen mit nicht typisch deutschen Nachnamen Probleme bei der Wohnungs- oder der Jobsuche haben, wenn Kinder mit Migrationshintergrund in der Schule bei gleicher Leistung schlechter bewertet oder nicht für das Gymnasium empfohlen werden. Da der Sport nicht losgelöst von der Gesellschaft existiert, ist er auch nicht frei von strukturellem Rassismus.  

Fälle von individuellem Rassismus erleben wir am Wochenende in den Fußballstadien leider nach wie vor häufig. Aber auch im Alltag von uns Sportler*innen kommt es immer wieder zu Bemerkungen, die zwar nicht unbedingt immer böse gemeint sind, sich aber auf die Hautfarbe oder die Herkunft beziehen.  

Zudem gibt es in Deutschland kaum Studien, die sich mit strukturellem Rassismus im Spitzensport beschäftigen, das ist eine Forschungslücke, die es zu schließen gilt. Ein gemeinsames Forschungsprojekt der Deutschen Sporthochschule sowie der Humboldt-Universität zu Berlin setzen hier nun an.  

Meiner Ansicht nach bietet der Sport insgesamt eine großartige Plattform, um Vorurteile abzubauen. Es muss sich aber außerhalb des Sports noch viel verändern, denn der Sport allein kann nicht alle gesellschaftlichen Probleme lösen. 

Neben deinem Studium und deiner Profi-Karriere bist du Mitglied der Anti-Rassismus Arbeitsgruppe bei Athleten Deutschland e. V.. Welche Ansätze verfolgt ihr im Kampf gegen Rassismus im Sport? 

Wir haben uns 2020 nach der Ermordung von George Floyd in den USA auf Initiative von Athleten Deutschland e. V. gegründet, um auf verschiedenen Ebenen Erinnerungsarbeit zu leisten, Rassismus im Sport abzubauen und öffentlich eine klare Haltung gegen Rassismus und Diskriminierung einzunehmen.  

Uns ist es wichtig, dass auf Verbandsebene, aber auch bei der Trainer*innen-Ausbildung eine Sensibilisierung für Rassismus im Sport stattfindet und sich jeder verpflichtend mit Anti-Rassismus- und Anti-Diskriminierungsmaßnahmen auseinandersetzt und weiß, wie man sich in solchen Situationen verhält. Ein weiterer Baustein ist eine Anlaufstelle für jüngere Betroffene, an die sie rassistische Vorfälle melden können.  

Du bist Botschafterin der Host City Frankfurt für die EURO 2024. Können internationale Sportevents helfen, Diskriminierung abzubauen und uns als Gesellschaft wieder näher zusammenrücken zu lassen?    

2024 ist ein Supersportjahr für Europa. Ich freue mich sehr auf die Fußball-Europameisterschaft in meiner Heimat und natürlich auch auf die Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris, bei denen ich hoffentlich als Zuschauerin dabei sein werde. Vor allem Olympia, aber auch andere große Events sind immer eine Möglichkeit zu zeigen, dass viele Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Backgrounds ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung friedlich zusammenkommen, um miteinander Sport zu treiben, um Spaß zu haben und um in einem respektvollen Wettbewerb gegeneinander anzutreten. Der Sport bietet eine großartige Plattform. Ich denke aber, dass außerhalb des Sports noch viel passieren muss.  

Der DOSB ist auf dem Weg zu einer Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele. Was erwartest Du von einem deutschen Bewerbungskonzept in Bezug auf Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung? 

Ich wünsche mir Sportveranstaltungen, die alle willkommen heißen, die inklusiv sind und die im Vorfeld bereits Sensibilisierungsmaßnahmen treffen – ich wünsche mir Spiele, die frei von Diskriminierung und Rassismus sind und die in allen Belangen die Menschenrechte einhalten. Dazu könnten Minderheiten in den Vorbereitungsprozess eingebunden werden, um Barrieren abzubauen und ein Bewusstsein zu schaffen, damit rassistische oder diskriminierende Vorfälle vermieden werden können.  

Mehr als ein Viertel der Menschen in Deutschland hat eine familiäre Zuwanderungsgeschichte. Könnte uns das zu besonderen Gastgebern machen?    

Ja, definitiv! Wir werden bei der EURO 2024 sehen, wie vielfältig Deutschland ist. Allein in Frankfurt wohnen Menschen mit knapp 200 verschiedenen Nationalitäten. Ich denke, dass Deutschland diese kleine Besonderheit hat, kulturell vielfältiger zu sein als viele denken und uns das zu besonderen Gastgebern bei Olympia machen kann.