„Eine erfolgreiche Olympiabewerbung hat das Potenzial, die Voraussetzungen für die nächste Generation deutscher Athleten deutlich zu verbessern.“

5 Ringe – 5 Fragen: Ruder-Weltmeister Oliver Zeidler im Gespräch über Olympia, den Leistungssport in Deutschland sowie die Spiele 2024 in Paris.

Hallo Oliver, du führst das Ruder-Aufgebot für die WM in Belgrad an. Wie siehst du deine Chancen?

Ich hatte bisher eine sehr erfolgreiche Saison und bin zufrieden mit dem Fortschritt, den ich dieses Jahr machen konnte. Wenn ich die Form halten kann, die ich beim letzten Weltcup hatte, dann sieht es sehr gut aus, dass ich zumindest eine Medaille gewinnen, wenn nicht sogar meinen Titel verteidigen kann. Von daher gehe ich mit einem sehr guten Gefühl in die Weltmeisterschaft.

Bei der WM wird auch ein Großteil der Startplätze für die Olympischen Spiele in Paris vergeben. Welche Bedeutung hat Olympia für dich als Profisportler?

Olympia findet im Normalfall nur alle vier Jahre statt. Auch wenn es jetzt durch den verkürzten Olympiazyklus ausnahmsweise nur drei Jahre waren: Jeder Sportler fiebert auf dieses eine Ziel hin. In Tokyo habe ich erlebt, dass Olympia nochmal etwas ganz anderes ist als eine Weltmeisterschaft. Es ist die emotionalste Regatta, die mir in den Sinn kommt, weil Sieg und Niederlage so nah beieinander liegen und weil Olympia seine eigenen Regeln schreibt. Es klingt immer so komisch, aber wenn man mal dabei war, dann versteht man das auch.

Es ist die größte Bühne für den olympischen Sport, die es überhaupt gibt. Daher ist es ein sehr wichtiger Ansporn für uns Athleten. Es ist DIE Chance, unseren Sport und uns selbst zu präsentieren, weil wir so viel Aufmerksamkeit sonst nicht bekommen. Zudem ist Olympia auch wichtig, um die Jugend für Sport und Leistung zu begeistern.

Du hast dich kritisch zur Förderung und zu den Verdienstmöglichkeiten in Deutschland geäußert. Was muss sich aus deiner Sicht im Leistungssport ändern, damit sich nachhaltig etwas ändert?

Ich glaube, man muss grundsätzlich unterscheiden zwischen der nationalen und der internationalen Sportpolitik, die vom BMI bzw. dem IOC entschieden wird.

In Deutschland könnte deutlich mehr in Sachen Sportförderung gemacht werden. Hierzu bedarf auch nicht der Aufstockung der Sportfinanzierung – woran man bei „mehr“ als erstes denkt – sondern eher die zielgerichtete Verteilung von vorhandenen Mitteln. Dazu müsste man sich aber klar zur Entbürokratisierung entscheiden und im Grundsatz, ob Deutschland wieder der Weltspitze angehören will.

Für Erfolg deutscher Athleten und die Attraktivität des Sports wäre es sicherlich notwendig, denn wir treten in den meisten Sportarten gegen Vollprofis an. Sportler aus Rumänien erhalten zum Beispiel umgerechnet 5.000 Euro pro Monat für einen Weltmeistertitel. Wir in Deutschland lediglich 5.000 Euro an zusätzlicher Sportförderung auf das ganze Jahr gerechnet. Da ist eine sehr große Diskrepanz, die wir gegenüber vielen Nationen haben. In anderen Ländern kann man sich ohne finanzielle Probleme voll und ganz auf den Sport konzentrieren und ist auch fürs Alter abgesichert. Dort hat der Sport einen ganz anderen Stellenwert als hier in Deutschland.

„In anderen Ländern kann man sich ohne finanzielle Probleme voll und ganz auf den Sport konzentrieren und ist auch fürs Alter abgesichert. Dort hat der Sport einen ganz anderen Stellenwert als hier in Deutschland.“ – Oliver Zeidler

Letzten Endes ist es eine politische Entscheidung, ob wir wieder Weltspitze werden können, ob wir eines Tages wieder Medaillenspiegel anführen oder ob wir das eben nicht wollen und über Teilnahmen froh sind. Für mich als Sportler ist es immer ein bisschen schade, wenn man zu großen Events fährt und immer Top-Platzierungen erwartet werden. Gleichzeitig die Basis dafür im internationalen Vergleich aber nicht gegeben ist, dass diese erwarteten Top-Platzierungen auf lange Sicht gesehen nicht mehr zu erreichen sind.

Auf der internationalen Ebene betrifft das hauptsächlich das IOC, das durch Olympische Spiele Milliarden einnimmt, aber die Athleten in ihren Verdienstmöglichkeiten beschränkt, zum Beispiel was Werbung angeht. Das muss man so deutlich sagen: Ohne die Athleten können sich so viele Funktionäre treffen, wie sie wollen: Ohne Athleten und somit ohne Wettkämpfe ist Olympia gar nichts. Wir sind die Hauptakteure, wir füllen die große Bühne und machen diese Spiele eigentlich erst möglich und zu dem, was sie sind. Ich finde, da sollte man den Athleten auch ein Stück vom Kuchen abgeben oder ihnen die Möglichkeit geben, sich entsprechend zu vermarkten.

Wie könnte der Leistungssport langfristig und nachhaltig von Olympischen und Paralympischen Spielen im eigenen Land profitieren?

Da sind wir wieder bei der politischen Entscheidung, wie wir uns dahingehend positionieren wollen. In anderen Ländern wurden großartige sportliche Möglichkeiten geschaffen, ich denke an London oder Peking. Da wurde richtig Geld in den Sport gesteckt und das Sportfördersystem verbessert, weil man am Ende an der Spitze des Medaillenspiegels stehen wollte. Wenn Deutschland so weitermacht wie momentan, dass man viel Politik für Andere macht und der Fokus nicht auf dem Sport liegt, dann wird sich für die deutschen Athleten auch bei einer erfolgreichen Olympiabewerbung wenig ändern.

Im Idealfall für die nächste Generation an Sportlern in Deutschland, würde ein Push durchs Land gehen: Sportstätten werden gebaut oder auf den aktuellen Stand gebracht, Sport wird für die Jugend wieder attraktiv und man bekommt Lust darauf Leistung zu bringen und sich etwas zu erarbeiten. Es wird sichergestellt, dass sich die Athleten optimal auf heimische Spiele vorbereiten können, dass Kompetenzen (zurück) ins Land geholt wird und der Sport entbürokratisiert wird. Das wäre mein Idealbild.

Ich glaube, die Begeisterung für Sport hier in der Bevölkerung ist durchaus da. Und sie wird nochmal größer, wenn die heimischen Athleten vorne mitspielen. Eine erfolgreiche Olympiabewerbung hat das Potenzial die Voraussetzungen für die nächste Generation deutscher Athleten deutlich zu verbessern. Letzten Endes muss es dann aber auch der Anspruch der deutschen Politik werden, vorne dabei zu sein und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Wie blickst du auf die anstehende Olympischen Spiele in Paris. Ist die Vorfreude nochmal ein bisschen größer?

Eindeutig. Die Spiele in Tokyo waren ganz anders, als mir das von meinem Großvater und von anderen Olympia-Teilnehmern erzählt wurde: Geschichten von Leuten, die ihr halbes Leben gespart haben, um einmal bei Olympia zuzuschauen. Das Zusammentreffen der ganzen Welt. Das sportliche Fest, wo die Athleten das Größte erleben können, was der Sport so zu bieten hat. Das war in Tokyo durch die Einschränkungen leider so gar nicht der Fall. Alle sind mit Maske rumgelaufen, tägliche Corona-Tests, essen eingezäunt von Plexiglasscheiben. Wir waren dazu angehalten, uns möglichst gar nicht mit anderen Sportlern auszutauschen. Es gab keine Zuschauer. Freunde und Familie konnten nur nachts vom TV zugucken. Das wird jetzt in Paris hoffentlich etwas ganz anderes. Ich glaube, Paris werden die Spiele, die ich mir schon für Tokio erhofft hatte. Von daher ist die Vorfreude extrem groß.

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